Abfallrechtliche Einstufung HBCD-haltiger Dämmstoffe

April 8th, 2019|

30.07.2017 – Die Bundesregierung hat mit dem Einverständnis des Bundesrates im Juli 2017 die Abfallverzeichnis-verordnung (AVV) im Zusammenhang mit HBCD-haltigen Dämmstoffen wieder geändert, die sie erst im Oktober 2016 verschärft hatte. Die Einstufung des Dämmmaterials mit dem giftigen Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan (HBCD) als Sondermüll hatte einen Sturm der Entrüstung bei Entsorgern und Handwerksbetrieben ausgelöst. Die beteiligten Akteure sprachen sogar von einer HBCD-Krise, um ihren Forderungen auf Rückgängigmachung der Verschärfung Nachdruck zu verleihen. 40.000 Tonnen Styropor-Altlasten sind laut einer Pressemeldung der Deutschen Umwelthilfe jährlich zu entsorgen. Mit Anwendung der Verordnung von 2016 hätte die Verbrennung in Sondermüllanlagen erfolgen müssen. Dies wurde nun rückgängig gemacht. Allerdings regelt der Kompromissvorschlag des Bundesministeriums für Umwelt nicht nur den Umgang mit Dämmstoffen, sondern fasst die Entsorgung von allen Abfällen zusammen, die persistente organische Schadstoffe enthalten (POP = persisting organic pollution).
Dämmstoffe dieser Art werden nicht mehr als gefährlich eingestuft, sind aber als POP-haltige Abfälle überwachungsbedürftig. Als gefährliche Abfälle gelten nur noch Stoffe, die einen POP-Gehalt oberhalb der Konzentrationsgrenzwerte des Anhangs IV der EU-POP-Verordnung aufweisen (30.000 mg/kg, siehe Beschluss der Kommission 2014/955/EU). Für die Entsorgung von Hexabromcyclododecan gilt eine Konzentrationsgrenze von 1.000 mg/kg, vorbehaltlich einer Überprüfung durch die Kommission bis 20.4.2019.
POP-haltige Abfällen müssen getrennt von anderen Abfällen gesammelt und befördert werden. Ebenso ist eine Vermischung mit anderen Abfällen nicht zulässig (Artikel 3 der Verordnung). Die Entsorgung von POP-haltigen Abfällen ist wie folgt nachzuweisen: Vor Beginn der Entsorgung in Form einer Erklärung des Erzeugers, Besitzers, Sammlers oder Beförderers von POP-haltigen Abfällen zur vorgesehenen Entsorgung, einer Annahmeerklärung des Entsorgers von Abfällen sowie der Bestätigung der Zulässigkeit der vorgesehenen Entsorgung durch die zuständige Behörde (§ 4 der Verordnung). Und letztlich gelten für Erzeuger, Besitzer, Sammler, Beförderer, Händler und Makler von POP-haltigen Abfällen Registrierpflichten. Sie müssen ein Register führen, in dem folgende Angaben verzeichnet sind: die Menge, die Art und der Ursprung sowie die Bestimmung der Abfälle, die Häufigkeit der Sammlung, die Beförderungsart sowie die Art der Verwertung oder Beseitigung.
Quelle: Baubiolgie Regional
Nach der POP-Verordnung ((EG) Nr. 850/2004) Art. 7 (2) müssen Abfälle, die persistente organische
Schadstoffe („POPs“) enthalten, so verwertet oder beseitigt werden, „dass die darin enthaltenen
persistenten organischen Schadstoffe zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden“. Abfall gilt dann als „POP-haltig“, wenn dessen POP-Gehalt größer oder gleich einer bestimmten Grenzwertkonzentration im Anhang IV der POP-Verordnung ist. Der für HBCD festgelegte Grenzwert von 1000 mg/kg wird am 30. September 2016 rechtswirksam. Mit dem Grenzwert wird das Ziel verfolgt, HBCD aus dem
Wertstoffkreislauf auszuschließen.
Seit dem 11. März 2016 gibt es außerdem eine direkte Verbindung zwischen der deutschen Verordnung über das europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnisverordnung – AVV) und der POP-Verordnung in Form eines dynamischen Verweises (Nr. 2.2.3 der Einleitung des Abfallverzeichnisses). Demnach gelten
grundsätzlich alle POP-haltigen Abfälle (die den jeweiligen Grenzwert in Anhang IV der POP-Verordnung
überschreiten) in Deutschland als gefährlich und nachweispflichtig.
Die neue Einstufung betrifft vor allem Polystyrol-Dämmstoffe, die mit HBCD als Flammschutzmittel
ausgerüstet sind. Expandiertes Polystyrol (EPS) enthält in der Regel 0,7% und extrudiertes Polystyrol (XPS) ca. 1,5% HBCD. Da der Grenzwert für die Einstufung als gefährlicher Abfall bei 1000 ppm (0,1%) liegt, gelten diese Abfälle ab 30. September 2016 als gefährlich und nachweispflichtig und dürfen nur noch in Abfallverbrennungsanlagen behandelt werden, die über eine entsprechende Zulassung verfügen. Der Begriff „gefährlich“ meint in diesem Zusammenhang, dass die Behandlung des Abfalls gesondert zu erfolgen hat und mit entsprechenden Nachweisen belegt werden muss.
Nach der Abfallverzeichnis-Verordnung werden HBCD-haltige Dämmstoffabfälle daher ab 30. September
2016 der Abfallschlüsselnummer „17 06 03* anderes Dämmmaterial, das aus gefährlichen Stoffen besteht
oder solche Stoffe enthält“ zugeordnet.
HBCD-haltigen Textilien und Möbeln ist kein Abfallschlüssel als gefährlicher Abfall zugeordnet, d.h. es sind keine Entsorgungsnachweise zu führen. Ebenso sind keine Entsorgungsnachweise für Kleinmengen
HBCD-haltiger Dämmstoffabfälle (< 2 Tonnen pro Jahr) zu führen. Aber auch für diese Abfälle gilt die
Vorschrift der POP-Verordnung, dass das HBCD in ihnen unumkehrbar zerstört oder umgewandelt werden
muss. Hierfür ist die Abfallverbrennung das geeignete Verfahren. Neben der Verbrennung sind Verfahren zur selektiven Abtrennung von HBCD aus Polystyrolabfällen in der Erprobung.
Quelle: Umweltbundesamt, 25.07.2016
Die Einstufung von Baustoffen mit einem HBCD-Gehalt > 1.000 mg/kg als gefährlicher Abfall wurde durch den Bundesrat vorerst bis 1.1.2018 ausgesetzt.